
Die UFS-Rechtsberatung hilft auch in Fällen, die es rechtlich eigentlich gar nicht geben dürfte.
Aktuell
Einblick in die UFS-Rechtsberatung: Der Lohn gehört dem Arbeitnehmenden und nicht dem Sozialamt
Eigentlich ist es ein Vorgang, den es rechtlich gar nicht gibt, der unseren Rechtsberater:innen aber immer mal wieder begegnet: Sozialdienste erwirken von Sozialhilfebeziehenden, die eine Arbeitsstelle haben, eine schriftliche Lohnabtretung. Der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin bezahlt den Lohn dann direkt dem Sozialdienst aus. Der oder die Arbeitnehmende sieht keinen Rappen des eigenen Lohnes, dafür erhält er oder sie die ganze Sozialhilfeunterstützung durch den Sozialdienst ausbezahlt. Intern wird der Lohn verrechnet und – sofern dieser den Betrag der Sozialhilfe übersteigt – teilweise sogar als Rückzahlung der bezogenen Sozialhilfeschuld verbucht. Das ist praktisch für den Sozialdienst, rechtens ist es nicht. Gleich zwei rechtliche Probleme ergeben sich: Einerseits hält das Obligationenrecht in Art. 325 OR unmissverständlich fest, dass Lohnabtretungen nichtig sind, andererseits dürfen Überschüsse nicht direkt und ohne Verfügung mit Sozialhilfebezügen aus der Vergangenheit verrechnet werden.
Das Obligationenrecht scheint einigen Ostschweizer Gemeinden entweder fremd zu sein oder sie halten es für nicht besonders relevant. So auch bei einer Thurgauer Gemeinde, die von einem Sozialhilfebeziehenden genau diese Lohnabtretung einforderte. Der Sozialhilfebeziehende wurde von seinem Arbeitgeber im Stundenlohn bezahlt. Der Sozialdienst forderte vom Sozialhilfebeziehenden eine «Abtretungserklärung für alle Lohnzahlungen» ein, ging damit zum Arbeitgeber und forthin überwies dieser den Lohn direkt dem Sozialdienst. Etwas später wollte der Sozialhilfebeziehende diese Lohnabtretung wieder rückgängig machen, aber der Sozialdienst weigerte sich. Der Betroffene wandte sich an die UFS-Rechtsberatung. Die UFS-Juristin machte den Sozialdienst darauf aufmerksam, dass ihr Vorgehen ohne eine Rechtsgrundlage sei und dass das Bundesgericht doch bereits schon einmal festgestellt habe, dass im Thurgau effektiv die gleichen Gesetze bezüglich Lohnabtretungen gelten wie im Rest der Schweiz. Die Gemeinde teilte mit, sie mache dies jeweils, um die Betroffenen davor zu schützen, dass sie den Lohn einfach so ausgeben. Das mag im besten Fall gut gemeint sein, aber paternalistisch den Betroffenen mit vorauseilender Vorsicht ihre Rechte zu entziehen ist nicht die Aufgabe eines Sozialdienstes. Kann eine Person nicht mit ihrem Geld umgehen, gibt es die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde KESB, die gegebenenfalls einen Beistand/eine Beiständin einsetzen kann. Auch das weitere Argument, der Sozialdienst bevorschusse den Lohn und ziehe diesen deshalb sogleich ein, läuft ins Leere. Mit der Sozialhilfe werden keine Löhne bevorschusst. Also reichte die UFS eine Aufsichtsanzeige beim zuständigen kantonalen Departement ein. Und siehe da: Die Gemeinde wurde angewiesen, gar keine Lohnabtretungen im Rahmen der Sozialhilfe mehr zu verlangen. Ein solches Vorgehen sei nichtig. Seither wird die Sozialhilfe wieder so abgewickelt, wie es das Gesetz vorsieht: Er erhält die finanzielle Unterstützung gemäss seinem Bedarf. Sein Lohn wird im Folgemonat unter Berücksichtigung des Freibetrages als Einnahme angerechnet und vom ausbezahlten Betrag abgezogen.