Appell an den Nationalrat: Ja zu «Armut ist kein Verbrechen»
Avenir Social und UFS appellieren an die Nationalrät:innen, die parlamentarische Initiative «Armut ist kein Verbrechen» von Samira Marti und 37 Mitunterzeichnenden anzunehmen. Damit würde ein unseeliger Passus im Ausländer- und Migrationsrecht (AIG) korrigiert und das verfassungsmässige Recht auf Hilfe in Notlagen auch für Menschen ohne Schweizer Pass wieder gestärkt und sichergestellt.
Das heute geltende Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) bewirkt in der Praxis, dass Aufenthalts- respektive Niederlassungsbewilligungen bei einem Sozialhilfebezug widerrufen bzw. nicht verlängert werden. Das führt dazu, dass Menschen ohne Schweizer Pass, die schon jahrelang in der Schweiz leben, arbeiten und sich bilden, deren Einkünfte aber (plötzlich) nicht mehr existenzsichernd sind, eine unmögliche Wahl treffen müssen. Entweder sie beantragen Sozialhilfe und müssen mit einer Wegweisung aus der Schweiz rechnen oder aber sie verzichten auf die Unterstützungsleistung und leben weiter in äusserst prekären Verhältnissen. Oft sind davon auch Kinder und Jugendliche betroffen, machen sie doch einen Drittel der Sozialhilfebeziehenden aus.
Soziale Arbeit ist nicht Teil der Migrationsbehörde
Fachpersonen der Sozialen Arbeit befinden sich aufgrund der heutigen Situation in einem Rollenkonflikt. Die Aufgabe der Sozialen Arbeit ist die Befähigung von Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie geht von einem positiven Menschenbild aus. Durch die seitens Migrationsrecht geforderten Abklärungen zu Ursachen und zukünftiger Entwicklung der individuellen Situation wird die Soziale Arbeit zu einer Vorarbeiterin der Migrationsbehörde. Hinzu kommt, dass der Arbeitsaufwand und die Anforderungen bezüglich fachlicher Kompetenzen aufgrund der Vorgaben im Migrationsrecht enorm gestiegen sind. Diese Ressourcen sollten effektiver für die Beratung von Armutsbetroffenen aufgewendet werden.
Sozialhilfe kann ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen
Für Ausländer:innen verkommt die Sozialhilfe zunehmend zu einem Instrument das primär über ihren Aufenthalt in der Schweiz bestimmt. Ihre eigentlichen Funktionen – Existenzsicherung, soziale Teilhabe, Förderung der beruflichen Integration von Armutsbetroffenen und damit ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens – kann die Sozialhilfe só nicht mehr erfüllen. Aus fachlicher Sicht ist das nicht vertretbar.
Die parlamentarische Initiative «Armut ist kein Verbrechen» schreibt Menschen, die mehr als zehn Jahre in der Schweiz leben, das Recht zu, Sozialhilfe ohne Verlust des Aufenthaltsstatus beantrage zu können. Avenir Social und die UFS würden sich über eine Unterstützung der Initiative durch den Nationalrat sehr freuen.