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Konkubinatspaare und Sozialhilfe: Gravierende Misstände beseitigen

Die UFS fordert die vollständige Abschaffung des Konkubinatsbeitrages in der Sozialhilfe. Mit guten Gründen: Es fehlt für die Erhebung eines Konkubinatsbeitrages an der dafür notwendigen gesetzlichen Grundlage. Noch bis 1995 waren Konkubinate im Kanton Wallis verboten. Nur unwesentlich früher, nämlich 1992, hob der Kanton Schwyz das Konkubinatsverbot auf. Im Kanton Zürich hatte dieses Gesetz immerhin bis 1972 Gültigkeit. Mit Paaren, die ohne Eheschein zusammenleben, tat sich die Schweiz offensichtlich lange Zeit schwer. Die Sozialhilfe ist dieser «Tradition» bis heute treu geblieben. Sie kennt aus Sicht der UFS keinen sachgerechten Umgang mit Konkubinatspaaren, bei denen ein Partner oder eine Partnerin Sozialhilfe bezieht, sondern behandelt sie annähernd wie Ehepaare. Das heisst, der sogenannte Einkommensüberschuss des nicht unterstützten Partners wird als Einnahme des hilfsbedürftigen Partners angerechnet. Der Geld verdienende Teil des Konkubinats wird durch die Annahme eines hypothetischen Einkommens faktisch verpflichtet, aus diesem Gesamteinkommen seinen Partner respektive seine Partnerin mittels Konkubinatsbeitrag zu unterstützen. Das führt nicht selten dazu, dass auch der:die Konkubinatspartner:in am Rand des Existenzminimums leben muss. So üblich dieses Vorgehen ist - es fehlt ihr an der nötigen gesetzlichen Grundlage, an der Verhältnismässigkeit und an einem überwiegenden öffentlichen Interesse. Schon lange macht die UFS auf diese unrechtmässige Situation aufmerksam. Das ficht die Sozialdienste jedoch ebensowenig an, wie die Beschwerde- und Rekursinstanzen. Die UFS zieht nun mit einem besonders stossenden Fall vor Bundesgericht. Sollte das Bundesgericht nicht zu einem aus Sicht der UFS und des Klienten zufriedenstellenden Urteil kommen, wird der Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg erwogen.

Ein besonders stossender Fall

Der Fall des Sozialhilfebezügers H.K. sorgte Mitte Januar 2024 bereits im Tagesanzeiger für Schlagzeilen. H.K. wohnt mit seiner Partnerin und den gemeinsamen zwei Kindern zusammen in einer Wohnung. Die Partnerin bezieht eine Invalidenrente und Ergänzungsleistungen, die Kinder erhalten je eine IV-Kinderrente. Die Partnerin und die Kinder verfügen also über ein Einkommen, wenn auch nicht über ein grosses. Eigentlich wäre die Wohnform für H.K. und für seine Partnerin ideal: Man kann sich im Alltag helfen und die Kosten wegen des gemeinsamen Haushaltes minimieren. Aber der Sozialdienst findet, die Mutter habe mit ihrem schmalen Einkommen gefälligst auch den Partner zu unterstützen und legt einen entsprechenden Konkubinatsbeitrag fest. Der ist so hoch, dass der zugesprochene Sozialhilfebeitrag anfänglich zu etwas mehr als 62 Franken pro Monat kommt und später 120 Franken erreicht. Die vier Personen umfassende Lebensgemeinschaft muss deshalb von der IV-Rente, den Ergänzungsleistungen und der äusserst bescheidenen Sozialhilfe leben. Mithilfe der UFS wehrt sich H.K. gegen den Entscheid der Sozialbehörde und zieht vor Verwaltungsgericht. Vorsorglich wird die Sozialhilfe auf CHF 1010 angehoben. Aber die Freude währt nicht lange. die Einzelrichterin am Verwaltungsgericht entscheidet zu Gunsten der Gemeinde. Dass es für den Konkubinatsbeitrag keine gesetzliche Grundlage gibt, spielt für das Verwaltungsgericht keine Rolle. Aus Sicht der UFS eine skandalöse Rechtsauslegung.

Eine Aufgabe für das Bundesparlament

Die UFS und H.K. akzeptieren den Verwaltungsgerichtsentscheid wie erwähnt nicht und ziehen vor Bundesgericht. Das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die Einforderung eines Konkubinatsbeitrages ist keine Bagatelle, sondern ein gravierender Missstand. Eine entsprechende gesetzliche Regelung könnte nur das Bundesparlament erlassen, da für die Gesetzgebung im Bereich zivilrechtlicher Unterstützungspflichten abschliessend der Bund zuständig ist. Darüber hinaus ist die Massnahme offensichtlich unverhältnismässig, weil hier tiefgreifend in das Existenzminimum nach Ergänzungsleistungsgesetz von Frau und Kindern eingegriffen wird.

Der Mangel an einer gesetzlichen Grundlage führt dazu, dass Sozialdienste zwar Konkubinatsbeiträge in die Berechnung der Sozialhilfe einbeziehen, diese Beiträge von den Sozialhilfebeziehenden von ihren Partner:innen aber nicht eingefordert werden können. Menschen, die im Konkubinat leben, sind nicht verpflichtet, sich gegenseitig zu unterstützen. Das kann dazu führen, dass Sozialhilfebeziehende wegen der stark gekürzten Sozialhilfebeiträge in äusserst prekären Verhältnissen leben müssen. Das darf nicht sein.

Äpfel sind nicht Birnen

Nun kann man damit argumentieren, dass wer sich in Liebe verbunden fühlt, auch wirtschaftlich unterstützen soll. Das ist nach Erfahrung der UFS in allen Konkubinatspartnerschaften auch gang und gäbe. Viele Konkubinatspartner:innen bezahlen z.B. ohne entsprechende Verpflichtung die ganze Miete. Diese Hilfeleistung muss aber freiwillig sein. Die von den Gemeinden festgesetzten Konkubinatsbeiträge gehen jedoch soweit, dass die Sozialhilfeleistungen vollständig oder zum grössten Teil den nicht unterstützten Konkubinatspartnern aufgehalst werden. Eine willkürliche Gleichstellung von Konkubinaten mit Ehen kann nicht hingenommen werden, zumal Konkubinate in verschiedenen anderen Bereichen deutlich schlechter gestellt sind, als Ehepartnerschaften. Konkubinate kennen weder einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch noch einen gewichtigen, geschützten Erbanspruch. Ausserdem geniessen Ehepaare verschiedene weitere sozialversicherungsrechtliche und zivilrechtliche Vorteile, welche Konkubinatspartnerschaften vom Gesetzgeber ausdrücklich vorenthalten werden. Eine einseitige Unterstützungspflciht ohne entsprechende Vorteile führt zu einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung der Konkubinatspaare. Ein Urteil des Bundesgerichts oder sogar des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) muss hier Klarheit schaffen.

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