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Ein Konkubinat, eine familienähnliche WG oder eine Zweck-WG?

Das heutige System der Sozialhilfe befördert das Alleinewohnen und die Isolation von Sozialhilfebeziehenden. Das muss sich aus Sicht der UFS ändern. Viele Menschen, ob jung oder alt, leben gerne in einer Wohngemeinschaft. Das gemeinsame Zusammenleben in einer Wohnung hat viele Vorteile. Unter anderem spart man Kosten und hat etwas Gesellschaft, wenn man es sich wünscht. Rutscht ein Mitglied der Wohngemeinschaft in die Sozialhilfe, hat dies aber unter Umständen negative Auswirkungen auf alle Parteien der WG. Denn die Sozialdienste fragen sofort, ob es sich bei der Form des Zusammenlebens um ein Konkubinat, eine familienähnliche WG oder um eine Zweck-WG handle. Und je nach Entscheid hat dies finanzielle Auswirkungen auf die Höhe der Sozialhilfe und die finanziellen Verpflichtungen der Mitbewohner:innen.

Zwei Frauen - eine WG

Als Beispiel sei hier auf den Fall zweier kurz vor der Rente stehenden Frauen verwiesen, mit dem sich das Rechtsberatungsteam der UFS befasste. Die beiden Frauen lebten seit etlichen Jahren gemeinsam in einer Wohnung. Sie waren sich auch freundschaftlich verbunden, ohne aber ein Paar zu sein. Als die eine Wohnungspartnerin Sozialhilfe beanspruchen musste, verpflichtete der Sozialdienst die andere zu einem stattlichen Konkubinatsbeitrag. Der Sozialdienst argumentierte, es handle sich durchaus um ein Konkubinat, und zwar hauptsächlich aufgrund des langen Zusammenlebens. Dass die beiden Frauen wegen ihrer sexuellen Orientierung kein Paar sein konnten, interessierte den Sozialdienst wenig. Mithilfe der UFS-Rechtsberaterin focht die Sozialhilfebeziehende diesen Entscheid an. Es brauchte verschiedene Hausbesuche und unzählige Nachweise, bis sich die Behörde zu einer Wiedererwägung des Entscheides durchringen konnte. Früher seien die Beiden wohl ein Paar gewesen, aber aktuell deute nichts auf eine gelebte Liebesbeziehung hin. Allerdings konnte der Sozialdienst trotz dieses Befundes im Zusammenleben der beiden Frauen noch keine Zweck-WG erkennen. Vielmehr sei von einer familienähnlichen Wohngemeinschaft auszugehen. So war es dann immerhin möglich, von der Wohnungspartnerin der Sozialhilfebeziehenden einen Haushaltsführungsbeitrag zu verlangen. Die beiden Frauen hätten dieser Auflage nur durch eine Auflösung der Wohngemeinschaft und dem Bezug von zwei getrennten Wohnungen entgehen können.

Alleine wohnen empfohlen

Der Fall ist typisch für den schwierigen Umgang von Sozialdiensten mit den unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens. Das heutige System der Sozialhilfe befördert das Alleinewohnen und die Isolation von Sozialhilfebeziehenden. Wer alleine in einer kleinen Wohnung wohnt, muss nichts beweisen. Er oder sie bekommt den entsprechenden Mietzins ausbezahlt, sofern er innerhalb der Mietzinsrichtlinien liegt. Wer aber in einer Zweck-WG wohnt, muss tunlichst darauf achten, nichts mit dem oder der Wohnungspartner:in zu teilen - keine Zuckerdose, kein Waschmittel, keine Lebensmittel, keine Freizeit. Allzu schnell wird eine reine Zweck-WG in eine familienähnliche Wohngemeinschaft umgedeutet und ehe man sich versieht, wird aus der familienähnlichen Wohngemeinschaft ein Konkubinat. Dies zu widerlegen ist in der Regel schwierig und aufwändig. Die Auflösung der Wohngemeinschaft kennt zwar nur Verlierer:innen und führt für die Sozialdienste zu Mehrkosten - aber es kommt immerhin nicht mehr zu Diskussionen über die Form des Zusammenlebens. Das widerspricht aber der Grundidee der Sozialhilfe, welche Menschen in schwieriger wirtschaftlicher Situation nicht nur materiell versorgen, sondern auch sozial integrieren möchte. De facto führt das heutige System zum Gegenteil.

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