Nein zur geplanten Einschränkung der Sozialhilfeleistungen für Ausländer:innen aus Drittstaaten!
Die Revision des Ausländer- und Integrationsgesetzes beabsichtigt, Unterstützungsleistungen für Personen aus Drittstaaten zu kürzen – dies mit dem formulierten Ziel, sie besser in den Arbeitsmarkt einzugliedern und so die Sozialhilfeausgaben der Kantone und Gemeinden zu reduzieren. AvenirSocial, der Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz, und die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS lehnen die diskriminierende Gesetzesvorlage entschieden ab und haben heute ihre Stellungnahmen eingereicht. Die Revision erreicht die angestrebten Ziele mitnichten, richtet aber erheblichen Schaden bei den betroffenen Personen und im ganzen Bereich der Sozialhilfe an. Es geht für die beiden Fachorganisationen darum, Armut zu bekämpfen und nicht die Armen. Die vollständige Vernehmlassungsantwort von AvenirSocial und der UFS lesen Sie hierhttps://sozialhilfeberatung.ch/files/Materialien/2022-04-12-aig-stellungnahme-avenirsocial-ufs-fu-r-web.pdf?2287b91b65
Der Bundesrat hat Anfang Jahr zwei Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt. Einerseits sollen tiefere Unterstützungsansätze bei der Sozialhilfe während der ersten drei Jahre nach Erteilung einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz eingeführt werden. Andererseits werden die Integrationsvoraussetzungen für Aufenthaltsbewilligungen verschärft. Somit wird unter dem Deckmantel von nicht erwiesenen finanziellen Entlastungen eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet, welche die Ungleichbehandlung von einer besonders schutzbedürftigen Kategorie von Ausländer:innen weiter vorantreibt und menschenunwürdig ist. AvenirSocial und die UFS sind der festen Überzeugung, dass die heute geltenden Ansätze von öffentlichen Unterstützungsleistungen bereits zu tief angesetzt sind. Mit den heute geltenden Ansätzen fällt es Sozialhilfebeziehenden sehr schwer, ein Leben in Würde bestreiten zu können. «Die vorgeschlagene Revision zwingt die Betroffenen in prekäre Lebenssituationen. Dies ist umso schlimmer, als häufig auch Kinder von den Kürzungen betroffen wären.», sagt Rausan Noori, Rechtsanwältin der UFS.
Ein Blindflug ohne Nutzen mit viel Schaden
Die automatische und generelle Kürzung von Sozialhilfeleistungen für einen Teil der Sozialhilfebeziehenden stellt für die Betroffenen eine sehr einschneidende Massnahme dar. Das EJPD schlägt diese Massnahmen vor, ohne die Auswirkungen seriös geprüft zu haben und kann keine Aussagen zu den tatsächlichen Auswirkungen machen. Tatsächlich sind AvenirSocial und der UFS keine wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, die belegen, dass negative finanzielle Anreize effektiv wirken. AvenirSocial und die UFS sind der festen Meinung, dass eine Herabsetzung des Grundbedarfs keinen positiven Einfluss auf die Arbeitsintegration darstellt. «Die Revision verfehlt das Hauptziel einer besseren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mit dem Mittel der tieferen Sozialhilfebeträge und ist deshalb abzulehnen.», sagt Annina Grob, Co-Geschäftsleiterin von AvenirSocial.
Unzulässiger Eingriff in die Kompetenz der Kantonen
Die Revision stellt aus Sicht der Fachorganisationen überdies eine unzulässige Kompetenzüberschreitung des Bundes dar. Zum ersten Mal beabsichtigt der Bund materiell ins Sozialhilferecht einzugreifen. Bislang hat der Bund mit Hinweis auf fehlende Kompetenzen stets gegen eine nationale Harmonisierung der Sozialhilfe (mit Ausnahme des Asylbereichs) argumentiert. AvenirSocial und die UFS befürworten grundsätzlich eine umfassende nationale Harmonisierung der Sozialhilfe. Den vorliegenden Revisionsvorschlag lehnen sie aber ab, da dieser keine Harmonisierung darstellt und eine vereinzelte Verschlechterung der Situation in den Kantonen mit sich bringt.
Keine finanziellen Vorteile für Kantone und Gemeinden
In unseren Augen würde die Umsetzung der Gesetzesrevision in den Kantonen und in deren Gemeinden zu erheblichem administrativen Mehraufwand und zahlreichen Rechtsunsicherheiten führen. Die Mehrkosten würden in keinem Verhältnis zu den erwarteten, aber nicht bezifferbaren Einsparungen stehen. Die Revision verfehlt deshalb ihr zweites Ziel der Kostenreduktion deutlich und hätte im Gegenteil eine Erhöhung der Sozialkosten zur Folge. «Die vorgeschlagene Revision stellt ein betrübliches Beispiel einer kurzsichtigen Politik des Kostendrückens dar, die auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird und zudem ihre Ziele nicht erreichen wird.», sagt Rausan Noori.
Aushöhlung des Integrationsbegriffs
Schlussendlich unterstreichen AvenirSocial und die UFS, dass die Tendenz, immer strengere «Integrationskriterien» zu formulieren, den Begriff (wirtschaftliche) «Integration» aushöhlt. Die Revision fordert von Ausländer:innen zusehends mehr Anpassung, keine gleichberechtigte Integration. Eine Gesetzesbestimmung, die Ausländer:innen verpflichtet, die Integration ihrer nächsten Angehörigen zu fördern und zu unterstützen, ist nicht zielführend. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die zuständigen Behörden herausfinden sollen, ob die Betroffenen dieser Verpflichtung nachkommen. Hinzu kommt, dass die neuen Bestimmungen zu einer Art «Sippenhaft» unter den Familienmitgliedern führen dürften.