Rechtliche Situation von Sozialhilfebeziehenden spitzt sich weiter zu
Der gestrige Entscheid des Zürcher Kantonsrats, die Rekursmöglichkeiten von Sozialhilfebeziehenden massiv zu beschneiden, geht für die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS) in die völlig falsche Richtung. Sinnvoll wäre es, den Zugang zum Recht auch für Armutsbetroffen endlich sicherzustellen.
Der Zürcher Kantonsrat hat gestern die Parlamentarische Initiative «Keine selbständige Anfechtung von Auflagen und Weisungen in der Sozialhilfe» angenommen. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht kritisiert diesen Entscheid. Die Gesetzesänderung verschlechtert die rechtliche Situation von Sozialhilfebeziehenden weiter. Diese haben nun keine Möglichkeit mehr, sich gegen unrechtmässige Weisungen zu wehren. Die UFS prüft derzeit, ob ein solcher Entzug von Verfahrensrechten rechtlich überhaupt statthaft ist.
Ein Praxisbeispiel zeigt die konkreten Folgen auf: Eine Person hat eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit. Das Sozialamt meldet die Person dennoch zu einem Beschäftigungsprogramm an. Bisher kann sich die Person gegen diese Weisung wehren. Ist dies der Fall, wird die Weisung erst bindend, wenn gerichtlich festgestellt wurde, dass die Person am Beschäftigungsprogramm teilzunehmen hat. Neu kann sich eine Person gegen eine solche Weisung nicht mehr wehren: Wenn sie wegen den medizinischen Einschränkungen nicht am Beschäftigungsprogramm teilnimmt, wird sie direkt sanktioniert. Erst gegen diese Sanktion kann sie Rekurs einlegen. Dadurch wird die Rechtssicherheit für die sozialhilfebeziehende Person massiv untergraben – sie weiss nicht, welche Folge ihr Handeln hat. Und weil die potentiell drohenden Sanktionen für sozialhilfebeziehende Personen schnell existenzbedrohende Folgen haben, müssen sie selbst unrechtmässige Weisungen nachkommen. Etwa indem sie an einem Programm teilnehmen, dass ihre Gesundheit gefährdet.
Der gestrige Ratsentscheid trifft die Sozialhilfebeziehenden auch deshalb besonders stark, weil sie kaum Möglichkeiten haben, sich zu wehren. Das Sozialhilferecht ist komplex, Armutsbetroffene haben kein Geld für einen Anwalt, unentgeltlicher Rechtsbeistand wird selten gewährt. Die UFS ist die einzige auf Sozialhilferecht spezialisierte Rechtsberatungsstelle der Schweiz. Sie bietet kostenlose Rechtsberatungen an – die grosse Mehrheit davon im Kanton Zürich. Doch die durch Stiftungen und Spenden finanzierte UFS operiert seit längerem an ihrer Kapazitätsgrenze. Rund die Hälfte aller Anfragen müssen deshalb abgelehnt werden. Die UFS fordert, dass der Zugang zum Recht auch für Armutsbetroffen endlich gewährleistet ist. Der Kanton Zürich muss Rechtsberatungsstellen für Sozialhilfebeziehenden deshalb finanzieren und unterstützen.