Schuldensanierung Ja - aber für alle!
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement plant wichtige Änderungen im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs. Namentlich ist die Einführung eines rechtlichen Mechanismus zur konkreten und nachhaltigen Entschuldung überschuldeter natürlicher Personen vorgesehen, die keine anderen Perspektiven haben. Die Schweiz verfügt als einziges Land in Europa noch nicht über einen derartigen Mechanismus. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS begrüsst die geplanten Änderungen. Aus Sicht der UFS ist es zwingend, dass eine wirksame und für alle zugängliche Lösung rasch eingeführt wird. Der Vorentwurf des EJPD berücksichtigt die Situation von Personen ohne finanzielle Mittel - wie Working Poor oder Sozialhilfeempfangende - jedoch nicht oder zu wenig. Die UFS fordert das EJPD mit mehreren Eingaben auf, Armutsbetroffenen ebenfalls den vollen Zugang zu einem Schuldensanierungsverfahren zu ermöglichen.
Der Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes hat zum Ziel:
- überschuldeten Privatpersonen unter gewissen Voraussetzungen ein schuldenfreies Leben zu ermöglichen.
- jeder dauerhaft zahlungsunfähigen natürlichen Person, welche mit den ihr verfügbaren Mitteln über die Runden kommen würde, sich jedoch in absehbarer Zeit nicht aus eigener Kraft von aufgelaufenen Schulden befreien kann, eine zweite Chance zu geben.
- dadurch Anreize zur Ablösung aus der Sozialhilfe zu schaffen beziehungsweise bestehende Fehlanreize im heutigen System zu beseitigen
UFS fordert: Nachhaltige Schuldensanierung für alle
Die UFS unterstützt die vom EJPD formulierten Zielsetzungen vollumfänglich. Dazu müssen die geplanten Gesetzesänderungen jedoch tatsächlich eine nachhaltige Sanierung aller Schulden ermögichen, auch diejenigen von Sozialhilfeempfänger:innen und von weiteren Personen ohne freie Finanzkraft. Der Entwurf des EJPD enthält einige kritische Punkte, welche die Wirksamkeit der anstehenden Revision einschränken würden, da sie den Zugang von Privatpersonen - namentlich der beiden erwähnten Personengruppen - deutlich erschweren oder sogar vernunmöglichen.
Insbesondere berücksichtigt der Vorentwurf des EJPD die Situationen von Personen ohne finanzielle Mittel, wie Working Poor oder Sozialhilfeempfangende nicht oder zu wenig. Die U£FS fordert das EJPD mit mehreren Eingaben zum vorliegenden Vorentwurf auf, Armutsbetroffenen ebenfalls den vollen Zugang zu einem Schuldensanierungsverfahren zu ermöglichen.
Situation von Sozialhilfeempfangenden berücksichtigen
Die UFS schlägt zudem vor, dass für die Erstellung eines Schuldensanierungsplanes die Schuldenberatungsstellen beigezogen werden, und diese Aufgabe nicht den Betreibungs- und Konkursämtern überbunden wird. Die Hauptaufgabe von Betreibungs- und Konkursämtern ist es, die Interessen von Gläubigern zu vertreten. Wenn sie, wie im Vorentwurf vorgesehen, von einem Tag auf den anderen auch die Interessen der Schuldnerinnen und Schuldner vertreten müssten, hätte dies fundamentale Interessenskonflikte zur Folge.
Der Vorentwurf des EJPD sieht ferner vor, dass Personen, die in ein Sanierungsverfahren involviert sind, keine neuen Schulden machen dürfen. Für die Sozialhilfeempfangenden ist dies nicht anwendbar, denn bezogene Sozialhilfeleistungen sind ganz oder teilweise zurückzuzahlen. Der laufende Bezug von Sozialhilfe kommt folglich dem Aufbau neuer Schulden gleich. Wäre der Aufbau neuer Schulden, wie im derzeitigen Gesetzestext vorgesehen, für alle Schuldnergruppen untersagt, würde das die Sozialhilfemempfangenden von einem Sanierungsverfahren ausschliessen. Der Gesetzgeber wollte aber genau auch Mittellosen einen Anspruch auf ein Restschuldbefreiungsverfahren ermöglichen.
Rechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen nicht als neue Schulden bewerten
Noch gravierender ist, dass der Vorentwurf «Anträge auf Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen» von der Restschuldbefreiuung ausschliessen möchte. Das Sozialhilferecht unterscheidet, ob Leistungen «rechtmässig» oder «unrechtmässig» bezogen wurden. Während strafrechtliche oder moralische Überlegungen für den Ausschluss bestimmter Kategorien von Schulden nachvollziehbar sind, sind die Gründe für den Ausschluss von Rückerstattungsansprüchen für rechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen nicht nachvollziehbar. Daher muss im Gesetz zwingend darauf verzichtet werden, Schulden im Zusammenhang mit rechtmässig bezogenen Sozialhilfeleistungen von der Restschuldbefreiung auszuschliessen.
Die UFS hält nochmals fest, dass sie der Einführung eines Sanierungsverfahrens überschuldeter, natürlicher Personen grundsätzlich zustimmt. Ein derartiges Verfahren muss schnell eingeführt werden. Es gilt aber darauf zu achten, dass alle Personengruppen davon profitieren können, auch Sozialhilfeempfangende, Working Poor und weitere Personen ohne eigene finanzielle Mittel.