Sozialhilfegesetz Wallis: Gravierende und verfassungswidrige Verschärfungen
Der Entwurf zur Revision des Walliser Sozialhilfegesetzes ist unausgewogen und rechtlich bedenklich. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS verlangt deshalb gemeinsam mit AvenirSocial eindringlich eine Überarbeitung der Vorlage.
Der Walliser Staatsrat will das kantonale Sozialhilfegesetz revidieren. Im Rahmen der nun zu Ende gegangenen Vernehmlassung kommen die schweizweit tätige Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS nach einer eingehenden Prüfung zum Schluss, dass der Entwurf völlig unausgewogen ist. Für Armutsbetroffene ergeben sich aus der Gesetzesrevision gegenüber dem geltenden Gesetz kaum Verbesserungen. Dagegen sieht das Gesetz verschiedentlich gravierende und teilweise offensichtlich verfassungswidrige Verschärfungen vor, welche schweizweit einmalig sind.
In ihren jeweiligen Vernehmlassungsantworten haben UFS und AvenirSocial viele rechtlich bedenkliche Bestimmungen erkannt und der Regierung zurückgemeldet. Unter anderem in diesen besonders stossenden Punkten:
- Es ist vorgesehen, dass der Zugang zum Recht erheblich erschwert werden soll. So ist dem Entwurf zu entnehmen, dass bei Entscheiden der Sozialbehörden grundsätzlich die aufschiebende Wirkung entzogen wird. Das ist nicht akzeptabel. Die aufschiebende Wirkung ist gerade in diesem Rechtsgebiet von höchster Bedeutung. Schliesslich haben die Verfügungen von Sozialbehörden für die Betroffenen regelmässig einschneidende oder gar existenzielle Folgen.
- Der Entwurf macht zu den Kernelementen der Sozialhilfe keine Angaben – nicht einmal zur Bemessung der Sozialhilfeleistungen. Er delegiert deren Festlegung dem Walliser Staatsrat. Dies ist sowohl aus demokratischen als auch aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zulässig. Dass eine verbindliche Grundlage im Sinne der Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) gänzlich fehlt, schafft zudem Rechtsunsicherheit.
- Der Datenschutz wird für Armutsbetroffene in einer schweizweit einmaligen Art und Weise ausgehöhlt. Das Erheben und Weitergeben von Daten und die Überwachung von Armutsbetroffenen sollen in einem Masse zulässig sein, wie dies selbst in Strafverfahren gegen Schwerverbrecher nicht zulässig wäre. Diese Verschärfungen finden sich in keinem anderen Rechtsgebiet des Kantons Wallis – sie sollen eigens für den Sozialhilfebereich geschaffen werden.
- Zahlreiche Bestimmungen des Gesetzesentwurfs verstossen denn auch gegen verfassungsrechtliche Grundrechte und verfassungsmässige Prinzipien: Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV), Menschenwürde (Art. 7 BV), Diskriminierung wegen der sozialen Stellung (Art. 8 Abs. 2 BV), Schutz vor Willkür (Art. 9 BV), Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV), Verfahrensgarantien, insbesondere Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV), Rechtsweggarantie (Art. 29a BV), Verwirklichung der Grundrechte (Art. 35 BV), derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV).
- Die Situation von Armutsbetroffenen ist in der Schweiz und im Kanton Wallis bereits heute angespannt. Der Druck auf Armutsbetroffene wird durch die im Entwurf vorgesehenen Bestimmungen weiter und massiv erhöht.
Nach ausführlicher Analyse drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass diese Revisionsvorlage eine einseitige ist. Die Unterstützung von armutsbetroffenen Kindern und Erwachsenen gerät in Anbetracht zahlreicher Verschärfungen weiter in den Hintergrund. Damit wird der gesellschaftliche Zusammenhalt langfristig aufs Spiel gesetzt. UFS und AvenirSocial verlangen deshalb eine sorgfältige und ausgewogene Überarbeitung des neuen Gesetzes.
Die gesamte Vernehmlassungsantwort sowie die Begleitbriefe der UFS und von AvenirSocial finden sich unter den Direktlinks.