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Das sagt die UFS zum Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichts

Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS bedauert, dass das Aargauer Verwaltungsgericht die Verwendung von Altersguthaben zur Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen erneut als rechtmässig taxiert hat. Aus Sicht der UFS steht diese Praxis in klarem Widerspruch zu Bundesrecht. Ein Weiterzug des Urteils ans Bundesgericht wird derzeit geprüft.

Eigentlich ist es klar: Das Altersguthaben der 2. Säule ist für das Alter da. Fünfundzwanzig Kantone halten sich im Kontext der Sozialhilfe an diesen bundesrechtlichen Grundsatz. Einzige Ausnahme: einige wenige Gemeinden im Kanton Aargau. Diese verlangen von armutsbetroffenen Personen, kurz vor dem Erreichen des Pensionsalters ihr Altersguthaben zur Rückzahlung von rechtmässig bezogenen Sozialhilfeleistungen zu verwenden. Gegen diese stossende Praxis hatte die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS im Namen einer betroffenen Person beim Aargauer Verwaltungsgericht Beschwerde eingereicht. Doch das Verwaltungsgericht hält an seiner bisherigen, schweizweit einmaligen Rechtsprechung fest. Es hat die Beschwerde abgewiesen. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS nimmt den heute zugestellten Entscheid des Gerichts mit grossem Bedauern zur Kenntnis. Die betroffene Person spricht in Bezug auf das Urteil von einem «weiteren Schlag, der ihr enorm zusetzt».

Für UFS-Rechtsanwalt Tobias Hobi ist es ein «erstaunlicher Entscheid, der für die Betroffenen schwerwiegende Folgen in Form von Armut bis ans Lebensende mit sich bringt». Und weiter: «Der Entscheid steht in klarem Widerspruch zu den Bestimmungen im Bundesrecht». Beide schützen das Altersguthaben vor Zweckentfremdungen, wie sie einige Aargauer Gemeinden praktizieren. «Dass nun das Verwaltungsgericht einfach Gegenteiliges entscheidet, ist schon sehr speziell», sagt Anwalt Hobi. «Das Urteil liegt nicht nur quer zur Praxis und Interpretation in und von allen anderen Kantonen, sondern auch zu jenen der Schweizerischen Sozialhilfekonferenz SKOS, welche die Richtlinien für die Ausrichtung der Sozialhilfe erstellt.»

Massnahmen des Bundes werden unterlaufen

Die Zweckentfremdung von Altersguthaben durch Sozialämter untergräbt auch die beiden 2021 auf Bundesebene neu eingeführten Massnahmen der Überbrückungsrente und der Weiterführung von Freizügigkeitskonten nach Stellenverlust. Im Gegensatz zur Praxis in Aargauer Gemeinden haben diese das Ziel, den Schutz von Menschen zu stärken, die kurz vor dem Pensionsalter stehen. Im Bereich des Betreibungsrechts ignoriert das Urteil zudem bestehende Urteile des Bundesgerichts.

Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS prüft nun zusammen mit ihrer Klientin, ob das Urteil ans Bundesgericht weitergezogen wird.

Politik will Praxisänderung

Doch auch nach diesem richterlichen Verdikt stehen die anwendenden Gemeinden in der Pflicht, ihre problematische Praxis zu ändern: Der Aargauer Grossrat hat Anfang Mai die Kantonsregierung einhellig beauftragt, die Zweckentfremdung der Vorsorgegelder durch die Gemeinden zu verhindern.

(publiziert: 18. Mai 2021)

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