Stossendes Urteil des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen eine Änderung des Zürcher Sozialhilfegesetzes knapp abgewiesen. Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS ist besorgt. Sie prüft einen Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Das Bundesgericht hat heute eine Beschwerde gegen eine vom Zürcher Kantonsrat beschlossene Gesetzesänderung abgelehnt. Dies knapp mit einem Verhältnis von 3 zu 2 Stimmen. Diese Beschwerde war von der Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS auch im Namen von Direktbetroffenen und weiteren Organisationen eingereicht worden. Die an der Beschwerde beteiligten Organisationen, die täglich mit dem Leid von armutsbetroffenen Menschen in der Schweiz konfrontiert sind, sind über den heutigen Entscheid des Bundesgerichts erstaunt und äusserst besorgt. Denn die Mehrheit der Richterinnen und Richter hält es für legitim, dass der Kanton Zürich die Sozialhilfebeziehende einiger elementarer Grundrechte beraubt und sie gegenüber ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern diskriminiert. Dieses ungute Sonderrecht ist stossend. Die zwei - unterlegenen - Bundesrichter erachteten den Gesetzesartikel denn auch eines Rechtsstaats als nicht würdig.
Die beschwerdeführenden Parteien prüfen deshalb den Weiterzug des Entscheides an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Sie sind überzeugt, dass eine sichere und gesunde Gesellschaft nur mit einer Sozialhilfegesetzgebung zu gewährleisten ist, die ihren Namen verdient.
Auch viele andere Kantone haben Spezialregelungen zulasten von Sozialhilfebeziehenden geplant oder bereits umgesetzt. Das stürzt die Bedürftigen oft in Verzweiflung und Vereinsamung. Als Folge davon bezieht schon heute gut ein Viertel der Berechtigten trotz ausgewiesener Armut keine Sozialhilfe. Dies hat für die Gesellschaft längerfristige Konsequenzen, wie man sie im nahen Ausland beobachten kann: Bettelexistenzen, gesundheitliche und psychische Verwahrlosung, Vernachlässigung der Gesundheit und der Förderung von armutsbetroffenen Kindern.
Besonders einschneidende Folgen haben Gesetzesänderungen, wie jene, die im Januar 2019 vom Zürcher Kantonsrat im Januar 2019 beschlossen worden ist. Die dabei entstandene Spezialregelung will, dass Sozialhilfebeziehende Zwischenverfügungen von Ämtern nicht mehr anfechten können. Was auf den ersten Blick harmlos anmuten mag, hat schwerwiegende Konsequenzen. Denn dadurch haben Sozialhilfebeziehende – anders als die anderen Menschen im Kanton Zürich – keine Möglichkeit mehr, sich angemessen zu wehren. Ihr Recht auf ein faires Verfahren wird sehr weitreichend eingeschränkt. Dies stellt aus Sicht der Beschwerdeführenden ein massiver Grundrechtseingriff dar. Dass auch eine Mehrheit der Bundesrichterinnen und -richter diese Verletzungen von fundamentalsten rechtsstaatlichen Prinzipien akzeptiert, ist für die UFS erschreckend. Immerhin hielt das richtende Gremium einstimmig fest, dass künftig bei Endentscheiden grundsätzlich die aufschiebende Wirkung zu erteilen sei und Zwischenverfügungen weiterhin gestützt direkt auf Bundesrecht angefochten werden können, sofern ein nicht wiedergutzumachender Nachteil drohe. Damit nimmt das Bundesgericht den Kanton Zürich in die Pflicht, sein Gesetz verfassungskonform auszulegen.
Die UFS hat die Beschwerde im Namen von drei direktbetroffenen Personen und folgenden weiteren Organisationen geführt:
Avenir Social Zürich Schaffhausen
Caritas Zürich
MapF, Monitoring- und Anlaufstelle für vorläufig aufgenommene Personen
Schweizerisches Arbeiterhilfswerk Zürich
Sozialwerk Pfarrer Sieber