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«Über die eigenen Rechte wird man nicht informiert»

Entlassen, fünfhundert Bewerbungen geschrieben, ausgesteuert, bei der Sozialhilfe gelandet. Ein Zürcher Sozialhilfebezieher sagt, wieso das für ihn erniedrigend war, weshalb es unbedingt Rechtsberatungsstellen braucht und wie es ihm heute geht.

Wie wird man zum Sozialhilfebezüger?
Ich war erst arbeitslos und dann ausgesteuert. Insgesamt habe ich 500 Bewerbungen geschrieben - vergebens. Dies obschon ich als Technischer Leiter ausgezeichnet ausgebildet bin und stets gute Zeugnisse hatte. Ich habe mich zum halben Lohn beworben. Doch auch so war ich chancenlos. Ich habe dann versucht, als Selbstständiger zu arbeiten. Doch dann kamen gesundheitliche Probleme dazu. So rutschte ich in die Sozialhilfe ab.


Wie war das für Sie?
Schwierig. Man kann niemandem sagen, dass man in der Sozialhilfe ist. Sonst denken die Leute sofort: Wieso arbeitet der denn nicht, der faule Cheib? Auch auf dem Amt ist es erniedrigend – man wird mit Informationen und Weisungen bombardiert – und man muss alles von sich offenlegen. In den ersten Monaten konnte ich wegen eines Augenleidens kaum etwas sehen. Obwohl das Sozialamt das wusste, hat man mir alles per Mail geschickt. Und ich konnte das alles nicht lesen. Trotzdem hat man mit Leistungskürzungen gedroht, wenn ich den schriftlichen Aufforderungen nicht nachkäme.


Wie haben Sie reagiert?
Ich habe überlegt, ob ich auf die Sozialhilfe verzichten soll – obwohl ich mir das nicht leisten kann. Deshalb bleibt einem keine andere Wahl als mitzumachen. Auch wenn es wirklich schwierig war. Auf dem Sozialamt wird man richtiggehend zum Sozialfall getrimmt. Die Behörden schauten nicht, dass man bald wieder auf den Füssen steht. Im Gegenteil: Nicht ein My hat man mir geholfen. Eine Stellenvermittlung war inexistent. Man will den Menschen das Wenige, das sie noch haben, wegnehmen. Das ist fatal.


Können Sie ein Beispiel nennen?
Ich lebe in einer WG. Man wollte, dass meine WG-Partnerin mir einen Lohn zahlt, dafür dass ich die Wohnung reinige. Dagegen habe ich mich gewehrt.


Wie haben Sie sich gewehrt?
Ich habe zum Glück Hilfe bekommen. Mit Pierre Heusser von der UFS hatte ich einen guten Anwalt.


Und was kam beim Verfahren heraus?
Wir bekamen Recht. Meine Mitbewohnerin musste darauf keinen Lohn an mich überweisen.
Was hätte das bedeutet, wenn Ihre Mitbewohnerin Ihnen hätte einen Lohn bezahlen müssen?
Gut möglich, dass sie dann ausgezogen wäre. Für mich wäre das schade gewesen und hätte meine Situation noch schwieriger gemacht. Das hätte für das Sozialamt teurer werden können, weil ich, beziehungsweise das Amt dann die ganze Wohnung hätte bezahlen müssen.


Wie wichtig war die Hilfe einer Rechtsberatung?
Sehr wichtig. Auch ich als gut ausgebildete Person stiess schnell an meine Grenzen. Im Sozialamt wird man mit Dingen bombardiert. Über die Rechte, die man hat, wird man aber nicht informiert. Rechtsberatungen sind deshalb enorm wichtig.


Wie geht es Ihnen heute?
Im November 2018 wurde ich 62 Jahre alt. Deshalb verpflichtet mich die Sozialhilfe, mich bei der AHV anzumelden. Und ich habe gleichzeitig wieder eine Stelle gefunden.


Das ist ja super. Gratuliere!
Danke. Ein Kollege gab mir den Tipp, mich bei einer Sicherheitsfirma zu bewerben. Seit Dezember habe ich eine 60-Prozent-Stelle. Nun mache ich Zutritts kontrollen – etwa bei Messen und Konzerten. Und ich habe zudem das Angebot erhalten, befristet zu jener Firma zurückzukehren, bei der ich vor meiner Arbeitslosigkeit als Technischer Leiter angestellt war, bis man den Standort schloss.


Die Sozialhilfe gerät politisch immer mehr unter Druck. Was sagen Sie dazu?
Das ist verheerend. Man bekommt schon heute weniger als das Minimum. Es ist kaum möglich, von der Sozialhilfe zu leben. Wenn man den Menschen zu wenig gibt, sorgt das bei diesen für grosse Not. Viele Menschen urteilen über Sozialhilfebeziehende, und befürworten Kürzungen, haben selber aber keine Ahnung was das bedeutet. Viele Menschen können sich schlicht nicht vorstellen, was es heisst, einen Schicksalsschlag zu erleiden. Für mich ist klar: Man muss die Sozialhilfe nicht abbauen, sondern ausbauen.


Der befragte Mann ist 62 Jahre alt und lebt im Kanton Zürich.

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