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Wohnen mit Sozialhilfe: Eine grosse Herausforderung mit vielen Unsicherheiten

Eine sichere und angemessene Wohnunterkunft ist die wichtigste Voraussetzung für Sozialhilfeempfangende, um einen Ausweg aus der Armut zu finden und in der Gesellschaft wieder Fuss zu fassen. Eine den Lebensumständen angemessene Wohnunterkunft ist aber in der Schweiz keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Sozialhilfeempfangende leben oft in prekären Wohnverhältnissen oder sehen sich von einem Abgleiten in solche Wohnverhältnisse bedroht. Die UFS widmet in den nächsten Wochen und Monaten eine Reihe von Sondernewslettern dem Thema «Wohnen mit Sozialhilfe». Wir wollen dadurch dazu beitragen, dass ein grosses Problem in der Sozialhilfe stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. In den ersten beiden Sondernewslettern berichten die UFS-Rechtsberaterinnen Zoë von Streng und Nicole Hauptlin darüber, was ihnen im Beratungsalltag am Häufigsten begegnet. In diesem Newsletter geht es um das Problem sogenannt überhöhter Mieten.

Zu hohe Mieten – und wie man damit umgeht.

Von Zoë von Streng und Nicole Hauptlin, Rechtsberaterinnen bei der UFS. Aufgezeichnet und übertragen durch Hansruedi Galliker.

 
Überhöhte Mieten von Sozialhilfeempfangenden sind bei uns in der Rechtsberatung ein sehr häufiges Thema. Sehr viele der Menschen, die neu auf Sozialhilfe angewiesen sind, wohnen in Wohnungen mit Mieten, welche die Mietzinsrichtlinien der Wohngemeinde übersteigen. Das ist deshalb nicht erstaunlich, weil Gemeinden die Mietobergrenzen meistens recht tief ansetzen. Die Sozialhilfeempfangenden müssen deshalb in der Regel eine günstigere Wohnung suchen. Die SKOS hält in ihren Richtlinien zum Thema Wohnen unmissverständlich fest: «Von unterstützten Personen wird erwartet, dass sie in günstigem Wohnraum leben. Kinder haben nicht grundsätzlich Anspruch auf je ein eigenes Zimmer.» Gemeinden handeln also korrekt, wenn sie Sozialhilfeempfangende anhalten, sich eine günstigere Wohnung zu suchen. Im dazu gehörenden Verfahren passieren unserer Ansicht nach jedoch relativ viele Fehler, die leicht zu vermeiden wären, würden die entsprechenden Gemeinden die SKOS-Richtlinien konsequent anwenden und ihre Klient:innen besser informieren.

Eine sichere Wohnung als zentraler Faktor für ein stabilisiertes Leben

Eine sichere, zumutbare Wohnung ist ein entscheidender Faktor, um als Armutsbetroffene:r wieder Stabitität zu erhalten. Armutsbetroffene leiden oft unter gesundheitlichen Problemen. Eine gesicherte Wohnung ist eine zentrale Voraussetzung, um die Gesundheit wieder in den Griff zu bekommen. Für Sozialhilfeempfangende genauso wie für Leute mit einem niedrigen Einkommen ist es jedoch sehr anspruchsvoll, im hochpreisigen Wohnungsmarkt der Schweiz eine günstige Wohnung zu finden. Wir von der UFS unterstützen den «Housing First»-Ansatz. Dieser Ansatz verlangt, dass Armutsbetroffene als erstes auf eine gesicherte und zumutbare Wohnsituation zählen dürfen. Alles andere, das mit dem Bezug von Sozialhilfe verbunden ist, folgt später. «Housing First» würde viel zur Stabilisierung von Sozialhilfeempfangenden beitragen. Seit 2020 erprobt Basel-Stadt den «Housing First»-Ansatz im Rahmen eines Pilotprojektes. Auf die konkreten Ergebnisse sind wir gespannt.


Klare Gesetzeslage

Wir stellen oft fest, dass Sozialhilfempfangende bei der Suche nach günstigem Wohnraum zu sehr unter Druck gesetzt werden. Aussagen wie die Folgende sind häufig: «Wir zahlen den Mietzins nur bis zum nächsten Kündigungstermin». Manchmal fordern Gemeinden Sozialhilfeempfangende sogar auf, die zu teure Wohnung zu kündigen, auch wenn noch keine günstigere Wohnung in Aussicht ist. Das widerspricht den SKOS-Richtlinien fundamental. Die SKOS-Richtlinien halten unmissverständlich fest: «Überhöhte Wohnkosten sind so lange zu übernehmen, bis eine zumutbare, günstigere Lösung zur Verfügung steht. Kündigungsbestimmungen sind in der Regel zu berücksichtigen.» Gemeinden sind also angehalten, überhöhte Mieten zu übernehmen, bis eine günstigere Wohnung gefunden ist.


Suchen heisst nicht Finden

Vorausgesetzt wird allerdings, dass Sozialhilfeempfangende sich ernsthaft um eine günstige, den Mietzinsrichtlinien entsprechende Wohnung bemühen. Verweigern sie aktives Suchen nach einer solchen Wohnung, können die Gemeinden die ausbezahlten Wohnkosten um den überhöhten Teil kürzen. Allerdings nur dann. Es kann von Betroffenen nur verlangt werden, dass sie eine günstigere Wohnung SUCHEN. Es kann jedoch nicht verlangt werden, dass sie eine solche FINDEN. Das Finden einer Wohnung können Sozialhilfeempfangende nicht alleine beeinflussen. Hierzu braucht es auch Vermieter:innen, die entsprechend günstige Wohnungen vermieten.


Umfassende Beratung und Hilfe notwendig

Zudem instruieren Sozialämter Sozialhilfeempfangende oft unzureichend, wie sie bei der Wohnungssuche vorgehen müssen. Sozialhilfeempfangende müssen ihre Anstrengungen lückenlos dokumentieren und diese Nachweise monatlich einreichen. Häufig unterlassen Sozialämter es aber, ihre Klient:innen auf die Bedeutung eines vollständigen Dossiers zur Wohnungssuche hinzuweisen. Fehlen die Nachweise oder reichen die Angaben nicht aus, um nachzuprüfen, ob seriöse Bewerbungen getätigt wurden, wird ihnen mit der Kürzung des die Mietzinsrichtlinien übersteigenden Mietanteils gedroht oder dieser gleich gekürzt.

Die Auflagen, die Sozialhilfeempfangende bei der Suche nach einer günstigen Wohnung beachten müssen, gleichen stark denjenigen, die arbeitslose Menschen bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle befolgen müssen. Auch diese Bemühungen müssen lückenlos nachgewiesen und monatlich beim RAV eingereicht werden.


Dramatische Folgen

Die Folgen des unkorrekten Vorgehens mancher Gemeinden sind für Sozialhilfeempfangende oft dramatisch. Wird ihnen der Wohnkostenanteil gekürzt, haben sie nur zwei Möglichkeiten: Sie entnehmen den weggekürzten Anteil aus dem Grundbedarf. Dann fehlt ihnen aber Geld für Lebensmittel oder ein Busbillet und anderes mehr. Oder sie bezahlen nicht die ganze Miete. Dann wird ihnen über Kurz oder Lang gekündigt. Neue Schulden zu machen ist keine Option. Denn dann würden sie über nicht deklarierte Dritteinnahmen verfügen, was Sozialhilferechtlich strafbar ist.


Pragmatische Haltung von Sozialämtern wäre hilfreich

Welchen Ausweg sehen wir aus dieser schwierigen Situation? Schon viel geholfen wäre, wenn die Sozialämter die Sozialhilfeempfangenden korrekt und umfassend beraten und ihnen einen verständlichen Leitfaden zur Wohnungssuche aushändigen würden. Das Merkblatt «Wohnungssuche» der UFS kann hierbei als Beispiel dienen. Zweitens wäre es sehr wünschenswert, wenn sie die Sozialhilfeempfangenden aktiv bei der Wohnungssuche unterstützen würden. Haben die Betroffenen eine Wohnung in Aussicht, wäre es enorm hilfreich, wenn die Zahlung von Mietkautionen und ähnlichem schon zugesichert wäre. Wohnungszusagen müssen in aller Regel rasch erfolgen. Wenn es einen separaten Entscheid zur Übernahme von Mietzinskautionen braucht, ist die Wohnung in der Regel bereits weg. Natürlich wird die Wohnungssuche nicht erleichtert, wenn die Übernahme von Mietzinskautionen grundsätzlich verweigert wird.

Unser Appell an die Gemeinden: Gehen Sie mit dem Thema «Wohnungssuche» pragmatisch um. Schaffen Sie faire Bedingungen, damit Armutsbetroffene echte Chancen haben, eine Wohnung zu finden. Die reale Wohnungsmarkt-Situation ihrer Gemeinde ist dabei zwingend zu berücksichtigen. Unterstützen sie ihre Sozialhilfeempfangenden dabei, eine neue Wohnung zu finden.
 
Das Ziel der Sozialhilfe ist es, Armutsbetroffene zu befähigen, ein Leben ohne finanzielle Unterstützung führen zu können. Ohne eine stabile, zumutbare Wohnsituation ist eine nachhaltige soziale Integration und ein Ausstieg aus der Armut fast nicht möglich.

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