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Wohnen mit Sozialhilfe - Eine schwierige Situation wird immer prekärer

Der Entscheid wurde im Dezember 2023 zwar allseits erwartet. Für Mieterinnen und Mieter war er trotzdem nicht gut. Der hypothekarische Referenzzinssatz stieg am 1. Dezember 2023 von 1.5 auf 1.75 Prozent - die zweite Zinserhöhung innert weniger Monate. Die Folge der ersten Zinserhöhung spürten viele Mieterinnen und Mieter ab dem Jahreswechsel in Form höherer Mieten. Die Folge der zweiten Erhöhung des Referenzzinssatzes wird sein, dass viele Mieten ab April 2024 erneut steigen. Auch die Nebenkosten steigen weiterhin, auch wenn sich die Wachstumskurve gegenüber 2022 etwas abgeflacht hat. Die Situation wird auf absehbare Zeit noch äusserst angespannt bleiben. Dies zeigt ein Blick auf alle Statistiken zum Wohnungsmarkt in der Schweiz. Die Situation ist mehr als prekär. Sinkende Zahlen bei der Bereitstellung neuen Wohnraums auf der einen stehen steigende Kosten bei den Mieten und Nebenkosten auf der andere Seite gegenüber.

Diese Situation beschäftigt viele Sozialdienste stark. Die Jahrestagung 2023 der Sozialkonferenz des Kantons Zürich stellte diesen Herbst die "Dynamiken auf dem Wohnungsmarkt" ins Zentrum. Martin Tschirren, Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen BWO schuf dabei einen Überblick über die Situation in der Schweiz. Seit einem Höchststand im Zeitraum 2016 bis 2018 sinkt die Zahl der Baubewilligungen im Wohnungsbau. 2023 sind gegenüber 2016 mehr als ein Drittel weniger Wohnungen gebaut worden. Den stärksten Rückgang verzeichnen die Mietwohnungen, aber auch der Bau von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern ist stark rückläufig.

2025 fehlen rund 50'000 Wohnungen

Neubauwohnungen gehören in aller Regel nicht in die Kategorie der Wohnungen mit günstigen Mieten. Gleichwohl ist die schwache Wohnbautätigkeit auch für Sozialhilfeempfangende eine schlechte Entwicklung. Denn wenn Besserverdienende, die eine günstige Altbauwohnung nutzen und Umzugsabsichten hegen, keine Alternativen für einen Wechsel in eine für sie bezahlbare Wohnung haben, so werden keine günstigen Wohnungen frei. Derzeit fehlen laut der Statistik des Bundesamtes für Wohnungswesen rund 30'000 Wohnungen auf dem Markt. Bis 2025 dürften es 50'000 Wohnungen sein.

Mieten verschlingen einen zu grossen Anteil am Gesamteinkommen

Düster sieht es auch bei der Entwicklung der Mietzinsen aus. Die Miete verschlingt bei den untersten Einkommensklassen (< CHF 4'000) rund 35 Prozent der Einkünfte. Bei mittelständischen Einkommen (bis CHF 6''000) sind es immer noch rund 27 Prozent. Vor allem beim unteren Mittelstand nimmt die Mietkostenbelastung gemessen an den Brutto-Haushaltseinkommen laufend zu. Am stärksten trifft diese Entwicklung jedoch Sozialhilfebeziehende und Menschen mit geringem Einkommen. Bei ihnen beträgt der Wohnkostenanteil gemessen an allen finanziellen Leistungen, die sie erhalten, zwischen 36.1 % (ländliche Zentren) und 38.9 % (Städte) Je grösser der Anteil der Wohnkosten am Gesamtbudget ist, desto weniger Geld steht für alle anderen Bedürfnisse zu Verfügung, wie beispielsweise für Essen, Kleider oder Freizeitgestaltung. Die so wichtige gesellschaftliche Teilhabe wird massiv eingeschränkt.

Mietzinsrichtlinien und reale Marktsituation

Sozialhilfebeziehende müssen sich bei der Wohnungssuche an den Mietzinsrichtlinien ihrer Gemeinde orientieren. Aber was, wenn keine Wohnungen angeboten werden, die diesen Mietzinsrichtlinien entsprechen? Manfred Dachs, Direktor der Sozialen Dienste der Stadt Zürich, skizzierte an der Tagung der Sozialkonferenz des Kantons Zürich die Stadtzürcher Situation. In der Stadt Zürich betrug die Leerstandsquote 2023 lediglich 0.06 Prozent. Da kann nicht mehr von Wohnungsknappheit die Rede sein, sondern es handelt sich um pure Wohnungsnot. Hinzu kommt, dass die Angebotsmieten in der Stadt Zürich zwischen 2018 und 2023 um satte 30 Prozent gestiegen sind. Für Armutsbetroffene heisst dies sehr oft: Eine Wohnung oder ein Zimmer, das innerhalb der Mietzinsrichtlinien liegt, ist ein reiner Zufallstreffer. Tatsächlich leben 63 Prozent der unter 25jährigen in einer Wohnung oder einem Zimmer, die oder das die Mietobergrenze übersteigt. Über alle Haushalte hinweg betrachtet, leben mehr als ein Viertel der Sozialhilfeempfangenden in zu teuren Wohnungen. In der Stadt Zürich ist die Situation sicher besonders prekär. Aber sie ist auch gesamtschweizerisch äusserst angespannt. Die SKOS hält im Grundlagenpapier «Aktuelle Herausforderungen und Handlungsansätze» in Bezug auf die Wohnsituation von Sozialhilfeempfangenden fest: «Problematisch sind die hohen Wonkosten bedingt durch angestiegenen Referenzzinssatz und die erhöhten Nebenkosten aufgrund der gestiegenen Energiepreise. Zuden gehen Energiesanierungen meist mit einer «deutlichen Erhöhung der Miete einher.»

Wohnsituation mit Augenmass angehen

Deshalb ist es gerade in dieser besonders angespannten Zeit zwingend notwendig, dass die Sozialbehörden das Wohnungsproblem mit Augenmass angehen. Die Empfehlungen der SKOS bieten dazu eine gute Grundlage:

  • Mietzinserhöhungen sind mit geeigneten Instrumenten auf ihre Rechtmässigkeit zu überprüfen.
  • Wenn Mieten wegen des steigenden Referenzzinssatzes erhöht werden und deshalb die Mietzinsrichtlinien übersteigen, so sollen sie befristet und ohne Auflagen übernommen werden, bis gegebenenfalls die Mietzinsrichtlinien angepasst werden.
  • Gegen eine drohende Ghettoisierung von Randregionen, die noch über günstigen Wohnraum verfügen, ist mit geeigneten Massnahmen entgegenzuwirken.
  • Die Sozialbehörden sollen die effektiven Mietnebenkosten übernehmen, auch wenn dadurch die Limiten für Nebenkosten überschritten werden.
  • Die Sozialhilfe kann finanzielle Garantiemodelle gegenüber Vermietenden gewähren. Dazu gehören das Ausstellen einer Mietzinsgarantie, das Abschliessen einer Mietzinsgarantie-Versicherung oder die Übernahme eines Mietzinsdepots.
  • Im Einzelfall kann es angezeigt sein, die Übernahme von Wohnschulden zu prüfen.

Und natürlich gilt weiterhin, was die SKOS-Richtlinien schon immer festgehalten haben: Die Sozialhilfe soll überhöhte Wohnkosten solange übernehmen, bis eine zumutbare günstigere Lösung zu Verfügung steht.

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